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Blattschuss [Update]

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Aufgrund einiger Anmerkungen und Anregungen habe ich den Beitrag überarbeitet und erweitert.

Ein tiefer Blick in die braunen Augen, ich zögere, richte die Waffe noch einmal neu aus. Mein Gegenüber scheint zu ahnen, was jetzt gleich passieren wird. Die kalte und sternenklare Nacht wird von dem monotonen Aufflakern des Blaulichtes am Streifenwagen hinter mir begleitet. Weit und breit ist niemand zu sehen. Ich stehe mit meinen Füßen im nassen Gras. Die Pistole liegt fest in meiner Hand. Die dunklen Augen gucken mich wieder ängstlich an. Ich kann sein Herz im Brustkorb deutlich in einer sehr hohen Frequenz schlagen sehen. Mein Gehirn sendet einen Implus – ich habe schon viel zu lange gewartet – ich spüre den Abzug meiner Pistole an der Spitze meines Zeigefingers der rechten Hand. Mein Zeigefinger krümmt sich langsam und stetig. Der Druckpunkt meines Abzuges ist erreicht. Noch ein kleines Stück weiter und der Schuss… – ein lauter Knall durchbricht die nächtliche Stille – schrille Laute entweichen ihm, die braunen Augen drehen sich seitlich weg, der Kopf macht eine unnatürliche seitliche Bewegung, die Atmung beschleunigt sich noch einmal. Ein letztes Krampfen des Körpers, bevor sich die Stille wieder wie ein Vorhang über die Nacht legt.
Ich merke, wie ich immer noch mit meiner Waffe im Anschlag auf das Reh ziele, während mir ein schwer zu beschreibener Geruch nach verbranntem Pulver in die Nase steigt.

Mein erster Schuss auf ein Lebewesen. Auf dem Schießstand hatte man es dutzende Male geübt, es kam einem sehr leicht vor und die Pistole war inzwischen ein Werkzeug und alltäglicher Gegenstand geworden. Doch jetzt wurde mit meinem Betätigen des Abzuges ein Leben beendet. Ich atmete fest aus. Zum Glück war es kein Mensch. Noch vor Beginn der Ausbildung hatte ich lange Zeit über den Tod und einen möglichen Schusswaffengebrauch als letztes mögliches Mittel nachgedacht. Ein Gedanke, den man nur allzu gerne verdrängen würde. In meinem Kollegenkreis gab es mehrere, die bereits ihre Waffe gegen einen Menschen mit tödlichem Ausgang richten mussten. Obwohl alle äußerlich unbeeindruckt schienen, merkte man ihnen in einigen Momenten die innerliche Last an, die sie seitdem zu tragen haben. Und als ob das noch nicht genug gewesen wäre, wurden Sie seitens der Presse einem massiven Druck ausgesetzt, was teilweise einer Hetzjagdt ähnelte. Auch vor der Judikative wurde ihr Handeln, zu welchem Sie sich im Bruchteil einer Sekunde entscheiden mussten, monatelang akribisch und dezidiert begutachtet. Vieles unbeachtet dessen, dass hinter der Person in Polizeiuniform, die nach Recht und Gesetz gehandelt hatte, auch nur ein Mensch mit Emotionen wie du und ich steckt.

Wie in einem schlechten Film werde ich durch den langsam einsetzenden Regen aus meinen Gedanken gerissen. “Ist es vorbei?” hörte ich meine Kollegin rufen. “Ja, du kannst kommen.”
Das Reh war kurz vor unserem Eintreffen von einem “flüchtigen” Autofahrer angefahren und liegen gelassen worden. Es hatte so schwere Verletzungen davongetragen, dass es von Schmerzen gequält nur noch auf seinen Tod warten konnte. Wir hatten zuvor vergeblich versucht, einen Jäger zu erreichen. Aber dieser war nicht “verfügbar”. Uns war klar, dass das Reh von seinen Qualen erlöst werden musste. Irgendwann würde der Tag für die erste Schussabgabe gekommen sein. Jetzt war es soweit gewesen. Auch wenn es sich um keinen Menschen gehandelt hat, so muss man sich trotzdem damit abfinden, dass man einem Leben eigenmächtig ein Ende gesetzt hat. Vor der geplanten Schussabgabe mussten wir sicher gehen, dass sich keine Menschen im unmittelbaren Nahbereich befanden. Zudem informierten wir unsere Leitstelle über die Maßnahme. Es war davon auszugehen, dass kurz nach dem Schuss die ersten aufmerksamen Mitmenschen den Notruf wählen würden.

Nachdem das Reh nun regungslos im Straßengraben lag, verdeckten wir es mit ein paar Zweigen, sodass nicht jeder Autofahrer und Fußfänger es entdecken würde. Anschließend wurde mit Kreide ein “X” auf die Fahrbahn als Makierung für den Jäger gesprüht, sodass er das Reh nachher gut finden würde.

Nach einem letzten Blick auf das leicht blutverschmierte Reh, zog ich meine Handschuhe aus und ging langsam zurück zum Streifenwagen. Während ich dabei noch mal die Situation revue passieren ließ und gezwungener Maßen weiter über eine Schussabgabe auf einen Menschen nachdachte, dröhnte mir aus dem Fahrzeug bereits ein Funkspruch entgegen. “Massive Streitigkeiten bei Familie Weber, Herzogstraße 5. Körperliche Übergriffe seitens des Mannes zu erwarten. Ihr seid vorgeplant.” – “Verstanden” quitierte meine Kollegin. - Es ist doch paradox, hier endete gerade durch einen Unfall ein Leben und an anderer Stelle arbeitet jemand vorsätzlich daran, ein gesundes Leben zu zerstören. – Ich beschleunigte meine Schritte. Einsatz abgeschlossen…

… Weiter geht´s!

Bildquelle: http://diepresse.com

 


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